zurück zur Übersicht
20.12.2024 - Wenn in der Justizvollzugsanstalt Weihnachten am 8. Dezember ist
Bei den jungen Häftlingen mit besonderem Betreuungsbedarf in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim gibt es eine adventliche Tradition, bei der sich einmal eine wunderbare kleine Geschichte zugetragen hat. Anja Moser, Haftbetreuerin und Mitarbeiterin unserer Einrichtung Erziehungshilfezentrum Adelgundenheim, die sich um diese Häftlinge kümmert, erzählt sie uns hier.
In der Weihnachtszeit einsitzen zu müssen ist besonders schwer. Fotos: Gabriele Heigl/KJF
Die Kirche Heilige Maria mitten auf dem Gelände der JVA. Dort finden auch Andachten und Gottesdienste statt.
Auch in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stadelheim wird gebastelt - zumindest ein bisschen. Auf der Station für die jungen Gefangenen haben wir jedes Jahr einen Adventskalender. Und auch wenn er nicht besonders künstlerisch gestaltet ist, wird er dennoch mit viel Ehrgeiz und Liebe gemacht, und es gibt an jedem Tag eine kleine Portion Schokolade.
Bei den Kalendern handelt es sich schon um eine Tradition. Viele Jahre war täglich eine Tafel Schokolade verpackt, und der Junge, der den Adventskalender gebastelt hatte, merkte sich immer den Tag mit seiner Lieblingssorte, damit auch ganz sicher er sie bekam. Mittlerweile gibt es nur noch Schokoriegel, weil die Tafeln so teuer sind - aber egal: Hauptsache Schoki.
Jedes Jahr hängt der Kalender einfach so im Flur, kein Schloss sichert ihn vor hungrigen Räubern und Dieben. Und jedes Jahr gibt es unter den Justizvollzugsbeamten dieselbe Diskussion:
"Das ist aber schon ziemlich riskant, den Kalender einfach so aufzuhängen."
"Da kann doch bestimmt irgendeiner nicht widerstehen."
"Sollen wir ihn nicht lieber in Ihr Büro tun, da kann dann keiner was klauen?"
Bei den Kalendern handelt es sich schon um eine Tradition. Viele Jahre war täglich eine Tafel Schokolade verpackt, und der Junge, der den Adventskalender gebastelt hatte, merkte sich immer den Tag mit seiner Lieblingssorte, damit auch ganz sicher er sie bekam. Mittlerweile gibt es nur noch Schokoriegel, weil die Tafeln so teuer sind - aber egal: Hauptsache Schoki.
Jedes Jahr hängt der Kalender einfach so im Flur, kein Schloss sichert ihn vor hungrigen Räubern und Dieben. Und jedes Jahr gibt es unter den Justizvollzugsbeamten dieselbe Diskussion:
"Das ist aber schon ziemlich riskant, den Kalender einfach so aufzuhängen."
"Da kann doch bestimmt irgendeiner nicht widerstehen."
"Sollen wir ihn nicht lieber in Ihr Büro tun, da kann dann keiner was klauen?"
Häftlinge mit besonderem Betreuungsbedarf Seit 1988 betreut das Erziehungshilfezentrum Adelgundenheim jugendliche und heranwachsende Untersuchungsgefangene in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim (JVA). Dabei werden Alter, Tatvorwurf, psychische oder physische Beeinträchtigung berücksichtigt. In einer eigenen Abteilung in der JVA werden die Jugendlichen im Sozialdienst und durch externe Suchtberatung unterstützt und begleitet. Die letzten 24 Jahre hatte diese Aufgabe die Sozialpädagogin Anja Moser inne. Die externe Suchtberatung erfolgt durch Mittel des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege. Die Mittel für die übrige Betreuung werden von der KJF aufgewandt. Sie ist in diesem Bereich auf Unterstützung durch Spenden und vom Gericht zugewiesene Bußgelder angewiesen.
Es sind aber nicht nur die Beamten, die sich so sorgen. Auch die einsitzenden Jugendlichen sind Jahr für Jahr skeptisch, ob das funktioniert. Das ist wie im richtigen Leben, im Leben da draußen. Und immer einigen wir uns dann darauf, dass Vertrauen viel wichtiger ist als Schokolade, und dass es schon klappen wird.
Und eigentlich geht es auch gut. Immer. Nur letztes Jahr, da ist passiert, was alle Miesepeter immer befürchtet hatten: Eines Morgens fehlte das Beutelchen mit der Nummer 8. Große Ratlosigkeit überall. Fast schon Entsetzen: Wer macht denn so was!
Aber dann geschahen erstaunliche Dinge. Anstatt sich wie sonst üblich, sich auf die Suche zu machen nach einem oder dem Schuldigen, anstatt zu schimpfen und zu wettern über die Schlechtigkeit der Welt, gruschelte ein Junge eine Tüte Gummibärchen hervor, die würde er spendieren. Ein anderer meinte, nein, er habe heute Besuch, seine Mutter würde ihm sicher Schokolade kaufen, und da könne er eine Tafel ruhig hergeben für den Kalender. Und der Stationsbeamte sagte, ach nein, behaltet doch ihr euer Zeug, ich habe noch ein Snickers, das tun wir rein.
So war dann Weihnachten einfach mal am 8. Dezember.
Text: Anja Moser, Sozialpädagogin, Haftbetreuerin und externe Suchtberaterin
Und eigentlich geht es auch gut. Immer. Nur letztes Jahr, da ist passiert, was alle Miesepeter immer befürchtet hatten: Eines Morgens fehlte das Beutelchen mit der Nummer 8. Große Ratlosigkeit überall. Fast schon Entsetzen: Wer macht denn so was!
Aber dann geschahen erstaunliche Dinge. Anstatt sich wie sonst üblich, sich auf die Suche zu machen nach einem oder dem Schuldigen, anstatt zu schimpfen und zu wettern über die Schlechtigkeit der Welt, gruschelte ein Junge eine Tüte Gummibärchen hervor, die würde er spendieren. Ein anderer meinte, nein, er habe heute Besuch, seine Mutter würde ihm sicher Schokolade kaufen, und da könne er eine Tafel ruhig hergeben für den Kalender. Und der Stationsbeamte sagte, ach nein, behaltet doch ihr euer Zeug, ich habe noch ein Snickers, das tun wir rein.
So war dann Weihnachten einfach mal am 8. Dezember.
Text: Anja Moser, Sozialpädagogin, Haftbetreuerin und externe Suchtberaterin