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15.05.2023 - SBW-Flexible Hilfen: Großfamilie schafft den Sprung aus der Krise


Es war viel zusammen gekommen bei Familie Manug: ein erkrankter Vater, eine überforderte Mutter, Gewalt, traumatisierte Kinder, Verwahrlosung. Durch intensive Betreuung der Ambulanten Erziehungshilfen unserer Einrichtung SBW-Flexible Hilfen sind fünf Kinder und drei Erwachsenen jetzt auf einem guten Weg. Hier der Bericht der Sozialpädagogin Andrea Gmeinwieser.

Manchmal braucht es Mut, um Schritt für Schritt den Weg ins Helle gehen zu können. Symbolfoto: Ahmad Hasan, Unsplash
Dreieinhalb Jahre zuvor hatte ich die Großfamilie Manug kennengelernt (alle Namen und Herkunft geändert). Sie befand sich in einer sehr belastenden Lebenssituation. Sofie Manug immigrierte von den Philippinen und lebte mit den eigenen drei Kindern Marie (15), Tom (12) und Jimmy (9) sowie zwei Kindern ihres Bruders, Jerma (12) und Dave (9) in einer Vier-Zimmer-Wohnung. Die Familie war nach einem traumatischen Ereignis ein halbes Jahr vom Kriseninterventionsteam betreut worden. Der ehemalige Partner von Frau Manug und Vater ihrer drei Kinder war eines Tages unerwartet in die Wohnung gekommen und hatte die Mutter schwer verletzt. Der Vater - an einer Psychose erkrankt - wollte sie im Wahn töten. Der jüngste Sohn und ihr Neffe mussten das Ganze mit ansehen.
 
Der Vater wurde in der Forensik gebracht und dort behandelt, die Kinder wurden vorübergehend in Obhut genommen. Es hatte Meldungen von der Schule und vom Hort der jüngeren Kinder über Anzeichen der Verwahrlosung gegeben. Es war wohl unklar, ob sie ausreichend beaufsichtigt und gut versorgt waren. Um die Familie zu ernähren, arbeitete Sofie Manug in Vollzeit im Schichtdienst. Die älteste Tochter hatte währenddessen die Aufgabe, in der Nacht und am Wochenende die Jüngeren zu beaufsichtigen.
 
Dave und Jerma hatten zu diesem Zeitpunkt bereits eine belastete Kindheit hinter sich. Der Vater der beiden, Sofie Manugs Bruder, war im Sommer 2020 von den Philippinen nach Deutschland gekommen und zog zunächst mit in die Manug-Wohnung. Die Kinder hatten ihn vier Jahre nicht gesehen. Erst ein halbes Jahr vor dem Ende der Betreuung durch die Ambulanten Erziehungshilfen (AEH) konnte er eine eigene Wohnung beziehen. Zur Mutter hatten die beiden Kinder keinen Kontakt mehr, obwohl sie in München wohnt. Sie hat der Großmutter eine Vollmacht für das Sorgerecht ausgestellt.

Mehr Zeit für die Kinder und therapeutische Unterstützung
 
Bei unseren ersten Gesprächen waren alle Familienmitglieder sehr zurückhaltend und vorsichtig; erst nach und nach konnte ich als AEH-Betreuerin das Vertrauen von Sofie Manug und den Kindern gewinnen. Von Beginn an wurde deutlich, dass es einen starken Zusammenhalt und eine große gegenseitige Unterstützung in der Familie gibt. Mit Sofie Manug besprach ich anfangs vor allem das Thema Aufsichtspflicht, da hier sofort eine Veränderung notwendig war. Daraufhin ging die Mutter die notwendigen Schritte. Es brauchte zuerst einen gesicherten Aufenthaltstitel, damit sie ihre Nacht- und Wochenendschichten reduzieren konnte, um mehr Zeit für die Kinder zu haben. Zusätzlich kehrte die Großmutter der Kinder zurück in den Haushalt und unterstützte ihre Tochter.
Sofie Manug schaffte es mit Hilfe der AEH, alle Kinder im Blick zu behalten und sich psychisch zu stabilisieren. Nach dem Überfall litt sie an einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Am Ende der AEH-Zeit war sie soweit, sich therapeutische Unterstützung zu suchen. Sie meinte, sie wolle nicht länger weglaufen, sondern sich ihren Ängsten stellen.

"Während der Pandemie lebte die Familie zu acht in der Wohnung: fünf Kinder im Homeschooling und drei Erwachsene in Kurzarbeit. Welch eine Leistung!"

Andrea Gmeinwieser, Sozialpädagogin bei SBW-Flexible Hilfen

Auch die Kinder wurden von mir durch Einzeltermine und Gespräche unterstützt. Insbesondere die älteste Tochter nutzte diese, um für sich eine berufliche Perspektive zu entwickeln. Sie machte über die Fachoberschule ihr Abitur. Derzeit leistet sie einen Bundesfreiwilligendienst und möchte danach studieren. Zudem war es ihr wichtig, mit der AEH den Kontakt zu ihrem Vater zu reflektieren und zu gestalten. Die jüngsten Kinder konnten durch meine Hilfe zusätzlich zum Hort therapeutisch angebunden werden, um das Erlebte zu verarbeiten.
 
Neben Einzel- oder Familiengesprächen wurden von der Familie auch gerne Ausflüge oder Gruppenangebote angenommen. Zum Beispiel wanderten wir gemeinsam auf die Schliersbergalm, die Familie war bei einer mehrtägigen Familienmaßnahme in Steingaden dabei, und wir haben öfter kreative Aktionen zusammen gemacht.
 
Während der Pandemie lebte die Familie zu acht in der Wohnung: fünf Kinder im Homeschooling und drei Erwachsene in Kurzarbeit. Welch eine Leistung! Die schlimmen Erlebnisse und Herausforderungen haben die Familie noch weiter zusammengeschweißt und den einzelnen Familienmitgliedern Kraft gegeben, mit der Unterstützung von außen ihren Weg zu finden und zu gehen. Berührt und mit Tränen in den Augen saß Sofie Manug beim Abschlussgespräch mit der AEH im Sozialbürgerhaus und fasste die Hilfe der letzten Jahre zusammen: "Frau Gmeinwieser war irgendwie eine Therapeutin für alle in der Familie und hat uns sehr geholfen." Welch eine wunderbare Rückmeldung und Bestätigung! Die positive Lebenseinstellung und innere Stärke von Sofie Manug, sowie der Zusammenhalt unter den Kindern haben mich tief beeindruckt. Ich fand es sehr bereichernd, die Familie über mehrere Jahre begleiten zu können und die positive Entwicklung mitzuerleben.

Text: Andrea Gmeinwieser, Sozialpädagogin bei SBW-Flexible Hilfen