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01.02.2024 - "Mir wurde Zeit geschenkt, um mich zu verbessern"


Eine Erfolgsgeschichte im zweiten Anlauf: Imani Farah ist Mutter von drei Kindern, sie kam 2011 von Somalia nach Deutschland und konnte sich aus persönlichen Gründen nicht um ihre Kleinen kümmern. Die Kinder wurden über zwei Jahre lang in unserer Einrichtung Salberghaus untergebracht, bevor sie wieder zur Mutter ziehen konnten. In diesem Interview teilt sie ihre ganz besondere Geschichte.

Manchmal brauchen Familien Unterstützung, damit die Kinder wohlbehalten aufwachsen und sich entwickeln können. Symbolfoto: Pixabay
 
Wie kam es, dass Ihre Kinder eine Zeitlang im Salberghaus betreut wurden?

Imani Farah (Name verändert): Ich bin 35 Jahre alt, komme ursprünglich aus Somalia und bin 2011 über Äthiopien und Italien nach Deutschland gekommen. Hier habe ich schnell geheiratet. Mein erstes Kind habe ich in Deutschland 2012 bekommen, das zweite 2013 und das dritte 2015. Als ich mit dem dritten Kind schwanger war, habe ich mich von meinem Mann getrennt, da wir einige Probleme hatten. Als das Kind dann geboren war, bekam ich Depressionen, meine Mutter war sehr krank, und ich hatte viel Stress mit meinem Mann. Ich war in einer echt schwierigen Situation. Ich konnte nicht auf die Kinder aufpassen, ich konnte nicht kochen, ich konnte nicht saubermachen, ich konnte den Haushalt nicht mehr machen. Im November 2015 hat sich das Jugendamt eingeschaltet. Dann hat man sich im Salberghaus um meine Kinder gekümmert.

Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Das war für mich erstmal ein Desaster. Es war ganz schlimm, ich war krank, konnte kein einziges Wort Deutsch, und eine Frau vom Jugendamt hat meine Kinder genommen. Das war sehr schwierig, ich hab die Situation damals auch nicht verstanden, auch das mit dem Salberghaus nicht, das war zuerst sehr schlimm. Für mich war das Jugendamt erstmal der Feind, weil sie mir die Kinder genommen haben. Nach vier oder fünf Wochen habe ich dann aber gesehen, dass die Kinder gut versorgt sind. Ich konnte zwar nachts immer noch nicht schlafen und weinte viel. Aber dann hat das Jugendamt mir eine psychologische Behandlung empfohlen. Ich konnte die Kinder auch zwei-, dreimal die Woche besuchen. Es war zwar schwierig, aber nachdem ich die Kinder besuchen konnte und den Psychologen aufgesucht habe, ging es mir langsam besser. Sie haben alle mit mir sehr gut zusammengearbeitet. Den Kindern ist es gut gegangen, ich hatte meine Zeit mit ihnen, niemand war mit mir böse. Dann, nach ein paar Wochen, habe ich gemerkt, wie sich meine Perspektive verändert hat. Ich wollte mich verbessern, mehr Deutsch lernen, einmal die Woche zum Psychologen gehen. Die Situation hat mich richtig wachgerüttelt.
Hier läuft es gut! 

Die Reihe "Erfolgsgeschichten" befasst sich mit dem Arbeitsalltag in unseren Einrichtungen. Im Fokus stehen sollen dabei nicht die Dinge, bei denen es hakt, oder die Probleme, die noch zu lösen sind, sondern die positiven Entwicklungsschritte, die erreichten Zwischenziele, die großen und kleinen Erfolge. Im Arbeitsalltag übersieht man diese nämlich nur allzu leicht. Dabei können Klient:innen wie Betreuer:innen daraus Kraft für die noch anstehenden Herausforderungen schöpfen.

Wie war die Zusammenarbeit mit dem Salberghaus?

Ich habe viel gelernt. Zum Beispiel habe ich von den Mitarbeiterinnen im Salberghaus gelernt, wie ich mich am besten um die Kinder kümmere, wie ich auch Dinge mit ihnen machen kann, die nicht viel Geld kosten. Wir haben oft zusammen im Sandkasten gespielt. Die Kinder waren ja noch sehr klein, und ich wusste anfangs oft nicht, was ich mit ihnen machen kann, wenn ich sie besuchen komme. Ich habe viel Unterstützung vom Salberghaus bekommen, und wir haben viele Aktivitäten zusammen gemacht. Ich hatte ein sehr gutes Verhältnis zu den Erzieherinnen. Am Anfang hab ich Angst gehabt, aber dann wurde ich offener. Ich hab wirklich viel gelernt.

Im Nachhinein war das für mich primär keine Zeit, in der mir die Kinder genommen wurden, sondern Zeit, die mir geschenkt wurde, um es besser zu machen, um mich zu verbessern.

Imani Farah, Mutter dreier Kinder, die im Salberghaus betreut wurde
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Was haben Sie gelernt?

Was heißt es, dass das Jugendamt kommt? Es heißt, die Eltern sind in einer schlechten Situation. Das Salberghaus hat mir also über zwei Jahre lang die Möglichkeit gegeben, an mir selbst zu arbeiten, mich zu verbessern, und meine Kinder waren in Sicherheit. Ich konnte sie dann mehrmals die Woche besuchen und mit ihnen auch tagsüber Dinge unternehmen. Ich hatte eine gute Bindung, aber es war trotzdem schwer, wenn ich abends alleine nach Hause musste. Die Kinder wurden auch psychologisch betreut, und sie haben sehr viel im Salberghaus gelernt. Und ich konnte in dieser Zeit an mir selbst arbeiten. Im Nachhinein war das für mich primär keine Zeit, in der mir die Kinder genommen wurden, sondern Zeit, die mir geschenkt wurde, um es besser zu machen, um mich zu verbessern.
Und wie ist die Situation heute? 

Uns geht es gut. Jetzt wohnen wir in einer großen Wohnung in der Einrichtung Erziehungshilfezentrum Adelgundenheim (ebenfalls eine Einrichtung in KJF-Trägerschaft, Anm.d.Red.). Das ist zwar auch eine Einrichtung, aber es gibt keine 24-Stunden-Betreuung. Den Kindern geht es gut, meine älteste Tochter geht ab September aufs Gymnasium. Ich hab den Mittelschulabschluss gemacht und mache jetzt eine Ausbildung.
 
Haben Sie einen Tipp für Eltern, die in einer ähnlichen Situation sind, wie die, in der Sie waren?

Ich möchte allen Eltern, die in meiner Situation sind, sagen: Es ist schwierig, aber sehen Sie es als Chance, die Ihnen gegeben wird. Die Kinder sind wirklich gut versorgt, es geht ihnen gut. Die Mitarbeiter im Salberghaus gehen sehr gut mit den Kindern um. Ich kann Eltern aus meiner Erfahrung heraus sagen: Dass die Kinder ins Salberghaus kommen, ist nicht das Schlimmste. Das Schlimmste wäre es, wenn wir in unserer Box bleiben und keine Hilfe in Anspruch nehmen.

Das Interview führte Christina Beischl von One77-Consulting.