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10.01.2022 - Impferfolge im Lichtblick Hasenbergl


Der bayerische Rundfunksender BR24 ging Anfang des Jahres der Frage nach, warum sozial benachteiligte Menschen so häufig ungeimpft gegen Corona sind. Dazu wurde Johanna Hofmeir, die Leiterin unserer Einrichtung Lichtblick Hasenbergl im Münchner Norden, befragt.

Impfen hilft uns heraus aus der Pandemie. Leider ist die Impflücke in Deutschland immer noch zu groß. Bild: Pixabay
In dem Beitrag von BR24 wird berichtet, dass die Impfquoten bei Menschen aus sozial benachteiligten Gruppen niedriger sind als beim Bevölkerungsdurchschnitt, was sich folgerichtig auch in höheren Infektionszahlen und Todesfällen im Verlauf der Pandemie zeigte. Es fehle ihnen die sogenannte Gesundheitskompetenz, zitiert der Sender Gesellschaftswissenschaftler und Sozialarbeiter. Sie hätten zu wenige Möglichkeiten, sich über Fragen zur Gesundheit zu informieren und sich um das eigene Wohlergehen zu kümmern.

Menschen aus bildungsfernen Schichten - mit und ohne Migrationshintergrund - täten sich schwer damit, Gesundheitskompetenz zu erwerben, bestätigt Lichtblick-Leiterin Johanna Hofmeir. Sie sehe es als wichtiges Ziel, gerade in der Pandemie diese Kompetenz in ihrer Betreuungseinrichtung zu stärken. Diese ist im Sozialbrennpunkt Hasenbergl eine wichtige Anlaufstelle für besonders belastete Kinder und Familien, die durch das soziale Netz rutschen. Der Gesundheitszustand der Familien sei oft schlecht, weil sie schlicht zu wenig über Gesundheitsthemen wüssten. Die Gründe dafür sieht sie einerseits in den schwierigen schulischen Biographien der Menschen. Zum anderen seien ihnen nie Strategien vermittelt worden, sich mit solchen Bildungsthemen auseinander zu setzen, heißt es in dem Bericht von BR24. "Die gehen nicht an den Computer und googeln Krankheitshintergründe, sondern sie erleben diese Krankheit, aber reflektieren sie nicht", so die Sozialpädagogin Hofmeir. Das hat auch Auswirkungen auf das Wissen über Corona, seine Folgen und mögliche Schutzmaßnahmen sowie die Impfung dagegen. Viele hätten Angst und könnten die Informationen zur Corona-Impfung nicht einordnen. Hinzu komme eine weitere Hürde: Das Online-Anmelden in den Impfzentren sei für sozial benachteiligten Familien ein großes Problem.
 

Johanna Hofmeir, Gründerin und Leiterin des Lichtblick Hasenbergl. Foto: KJF
 
Verschärfung der Ungleichheiten

BR24 zitiert die bundesweite Studie "Health Literacy Survey Germany 2-Studie", die im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht wurde: Bildungsniveau, Armut, Sozialstatus und Migrationshintergrund spielten bei der Gesundheitskompetenz eine wichtige Rolle. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Deutschen - knapp 59 Prozent - verfüge über eine geringe Gesundheitskompetenz. Und im Interview erläutert Gesundheitswissenschaftler Manfred Cassens: Menschen aus sozial schwachen Schichten erkrankten öfter an Corona. Der Leiter des Instituts für Gesundheit und Soziales an der Münchner Hochschule FOM (Hochschule für Oekonomie und Management) weiß, dass gesundheitliche Chancenungleichheit mit Bildung und sozioökonomischem Status zusammenhängten. Cassens: "Das heißt: Es ist die Bildung, es ist das Einkommen, die Wohnsituation, wo Menschen nah aufeinander wohnen müssen. Wir können also davon ausgehen, dass Covid soziale und gesundheitliche Ungleichheiten noch einmal verschärft hat." Das bedeute aber nicht, so Cassens, dass Menschen aus armen Verhältnissen zu dumm seien für Gesundheitskompetenz. Sie hätten einfach keine Chance, weil die Möglichkeit und das Angebot fehlten, sich zu informieren.
Schlange stehen beim Impfen

Auch Johanna Hofmeir kann davon berichten, dass Corona die Lage verschärft hat. Die Sorgen seien größer geworden, der Stresspegel sei gestiegen, die Familien litten. Sie seien erschöpft von der Pandemie. Die meisten arbeiteten im Niedriglohnsektor, seien arbeitslos geworden, die Wohnungen seien eng, Konflikte entstünden. Hinzu käme die zunehmende Angst, die die Wahrnehmung verzerre, so Hofmeir. Die schlimme Folge: Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene seien für Verschwörungstheorien und Fakenews empfänglich.

Und genau hier setzt die Einrichtung Lichtblick Hasenbergl an. Geduldig klärt sie auf und bietet Hilfe an. In einfachem Deutsch werden Text- und Sprachnachrichten sowie Videobotschaften in Chatgruppen verschickt, und mobile Impfteams gehen ins Viertel. Erste Erfolge seien bereits zu sehen: Immer mehr Menschen würden sich in vertrauter Umgebung in der Einrichtung und pädagogisch begleitet impfen lassen, freut sich Johanna Hofmeir. "Es gibt Tage, da stehen die Menschen Schlange."

Text: Gabriele Heigl