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27.06.2024 - Frühe Hilfen: Wenn Mütter in anderen Müttern Verbündete finden


Mutter zu sein ist immer herausfordernd, besonders allerdings, wenn man in einer schwierigen Lebenssituation steckt. In solchen Fällen kann Julia Staniek helfen. Sie ist Sozialpädagogin bei den Frühen Hilfen für Familien in verdichteten Wohnformen Sendling/Westpark. Und sie liebt diese Arbeit. Warum das so ist, berichtet sie in dieser Folge unserer Reihe "Erfolgsgeschichten".

"Mama ist da, hat Zeit für mich, sie lacht mich an und freut sich mit mir." Symbolbild: M. T. Elgassier, Unsplash
 
Im Fokus meiner Arbeit als Fachkraft für Frühe Hilfen in Gemeinschaftsunterkünften steht das Haus für Mutter und Kind in der Bleyerstraße in Sendling, das gut 60 Frauen mit ihren Kindern beherbergt. Jede Bewohnerin hat eine feste Sozialpädagogin als Ansprechpartnerin. Das Konzept der Frühen Hilfen beruht auf drei Säulen: der Einzelfallhilfe, der Präsenzberatung und dem Gruppenangebot, von dem ich hier berichten möchte.

Bei meinem Start im Jahr 2021 war mir klar, dass es Zeit, Engagement und Ausdauer erfordern würde, die Frauen für meine Beratungen und das Gruppenangebot, das ich plante, zu gewinnen. Durch aufsuchende Arbeit in der Gemeinschaftsunterkunft sollten Frauen von den Frühen Hilfen erfahren und für das Gruppenangebot gewonnen werden. 

Zu Beginn klopfte ich Etage für Etage an jede Tür. Einige Frauen baten mich herein und zeigten sich neugierig, andere verschlossen schnell die Tür oder vertagten das Gespräch. Meine Flyer hingen zu dieser Zeit schon am schwarzen Brett im Foyer, bunt gestaltet und mit allen wichtigen Informationen zum bald startenden Gruppen- und Einzelberatungsangebot. 
Wertvolle Momente für Mama und Kind

Anfangs war es zäh, Woche für Woche mussten die potenziellen Teilnehmerinnen, auch diejenigen, die bereits zugesagt hatten, erinnert werden. Doch das Dranbleiben zahlte sich aus. Schon nach wenigen Wochen hatte ich feste Mitglieder in der Gruppe. Die Frauen nahmen ihre Kinder Woche für Woche mit, um sie in die Gesellschaft anderer Familien zu bringen. Die Begeisterung der Kinder sprach sich im Haus herum, und so fanden immer neue Frauen den Weg zu uns.

Die Gruppe bietet Raum für eine schön verbrachte gemeinsame Zeit. Wir kommen zusammen, singen, tanzen und musizieren mit den verschiedensten Instrumenten. Es ist eine Zeit, in der Mama und Kind schöne und wertvolle Momente miteinander erleben und sich nahekommen, in der die Mütter in anderen Müttern Verbündete finden. Das Band zwischen Mutter und Kind wird gestärkt. Das Kind erlebt: Mama ist da, Mama ist hier und jetzt mit mir, ganz im Moment, lacht mich an; ich sehe andere kleine Gesichter, ich lerne erste Freunde kennen, ich schaue, was andere machen, lerne von ihnen und sie von mir. Und all das bekommt Mama mit. Sie freut sich über das, was sie sieht: wie ich nach einem Spielzeug greife oder vor mich hin krabbele. 
 
Hier läuft es gut!

Die Reihe "Erfolgsgeschichten" befasst sich mit dem Arbeitsalltag in unseren Einrichtungen. Im Fokus stehen sollen dabei nicht die Dinge, bei denen es hakt, oder die Probleme, die noch zu lösen sind, sondern die positiven Entwicklungsschritte, die erreichten Zwischenziele, die großen und kleinen Erfolge. Im Arbeitsalltag übersieht man diese nämlich nur allzu leicht. Dabei können Klient:innen wie Betreuer:innen daraus Kraft für die noch anstehenden Herausforderungen schöpfen.
Für die Mütter wiederum kann die Teilnahme am Gruppenangebot verdeutlichen: Ich bin nicht alleine mit meiner Situation. Auch andere Frauen haben schwer zu tragen. Wie machen sie das? Wie kommen sie durch den Tag? Was hilft ihnen, positiv zu bleiben? Aber auch: Nicht nur ich habe gerade schlaflose Nächte, auch andere würden gerade alles tun für eine Mütze voll Schlaf und verzweifeln fast am Durchbrechen der ersten Zähnchen der Sprösslinge. Gemeinsam können wir über dies und jenes hinweglachen, aber auch gemeinsam Lösungen finden und uns gegenseitig mit Tipps versorgen. Es entstehen Freundschaften und Unterstützungsnetzwerke. Das zu sehen, ist großartig. 

Es macht mir großen Spaß, jedes Mal neu zu überlegen, wie man den Ablauf gestalten könnte. Wir singen spontan Kinderlieder aus Tansania und trommeln dazu, essen gemeinsam Krapfen oder kochen zusammen Porridge. Es entsteht ein Gefühl der Gemeinschaft, und es gibt Raum für Freude und Entspannung. 
 

"Für die Mütter kann die Teilnahme am Gruppenangebot verdeutlichen: Ich bin nicht alleine mit meiner Situation. Auch andere Frauen haben schwer zu tragen. Wie machen sie das? Wie kommen sie durch den Tag? Was hilft ihnen, positiv zu bleiben?"

Julia Staniek, Sozialpädagogin in der KJF-Einrichtung SBW-Flexible Hilfen
Frühe Hilfen SBW-Flexible Hilfen München

Das Angebot der Frühen Hilfen beinhaltet eine niederschwellige, zeitlich begrenzte und schnell verfügbare Unterstützung für Schwangere, werdende Eltern und Familien mit Kindern im Alter zwischen 0 und 3 Jahren. SBW-Flexible Hilfen betreut nach dem "Münchner Modell der Frühen Hilfen" junge Familien und schwangere Frauen in der Sozialregion Sendling/Sendling-Westpark. Das Team der Frühen Hilfen besteht aus Sozialpädagoginnen und einer Familienhebamme, die in Privathaushalten tätig sind. Zudem gibt es sozialpädagogische Fachkräfte, die in Gemeinschaftsunterkünften und Leichtbauhallen der Sozialregion arbeiten. Dort werden auch Gruppenangebote und Sprechstunden angeboten. Die Fachkräfte der Frühen Hilfen bieten ihre Unterstützung kostenfrei, freiwillig, unbürokratisch und vertraulich an.

Mit Mut und Optimismus Hilfe annehmen

Dass die Kinder gerne in die Gruppe gehen, spricht sich im Haus herum: So finden immer wieder neue Frauen und ihre Kinder den Weg dorthin. Die Kinder können in der Gruppe „gemeinsam wachsen“. Sie machen über einen gewissen Zeitraum hinweg Fortschritte, die im Kontext der Gruppe greifbar werden. Sie werden immer sicherer in der anfangs „unsicheren“, da noch neuen, Umgebung und treten miteinander immer mehr in Kontakt. Klebten sie anfangs noch an Mamas Schoß, robben sie erst zaghaft durch den Raum, um Wochen oder Monate später mit großer Freude durch den Raum zu flitzen, zu klettern und laut mitzusingen. 

Die Stärke und den Optimismus der Frauen bewundere ich Tag für Tag. Die meisten machen das Beste aus ihrer Zeit im Haus für Mutter und Kind, und ich finde, es gehört auch oft eine große Menge Mut dazu, Hilfe anzunehmen. Ohne den Mut und das Vertrauen dieser Frauen wäre diese Arbeit nicht möglich, oder zumindest nicht so, wie sie gedacht ist.

Dass das Angebot der Frühen Hilfen auf Freiwilligkeit beruht, hat einen wunderbaren Effekt auf die Bereitschaft der Familien zur Zusammenarbeit. Sie fühlen sich unterstützt und beraten, und das Ganze ohne Druck. Der Auftrag kommt von Seiten der Mutter/der Eltern: Sie sind es, die an mich als Fachkraft herantreten, um über ihre Belange zu sprechen, und die entscheiden, wobei sie sich Hilfe wünschen – und das versuchen wir als Frühe-Hilfen-Fachkräfte nach Möglichkeit zu beantworten und ihnen in angemessener Weise anzubieten. Dabei sind eben diese Wünsche und Äußerungen so verschieden, wie sie es nur sein könnten. Das macht die Arbeit vielfältig und spannend. Die Dankbarkeit, die ich täglich von den Familien erfahre, tut ihr Übriges und zaubert mir nicht selten ein riesiges Lächeln ins Gesicht.

Geplant ist für diesen Sommer noch ein gemeinsamer Ausflug in den Tierpark. Wir wollen draußen mit Wasser experimentieren und plantschen, im Sand buddeln und es uns einfach schön und gemütlich machen, auf den größten Picknickdecken, die der Markt zu bieten hat – im wundervoll grünen Garten hinter dem Haus. Jeder ist willkommen!

Text: Julia Staniek, Sozialpädagogin (M.A.), Frühe Hilfen für Familien in verdichteten Wohnformen Sendling/Westpark, SBW-Flexible Hilfen 
 
Frühen Hilfen Sendling/Sendling-Westpark
Team Frühe Hilfen/Familienhebamme SBW-Flexible Hilfen
Schmied-Kochel-Straße 8
81371 München
Tel. 089 7201500
fruehe-hilfen@kjf-muenchen.de