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04.10.2021 - "Die Angebote müssen erhalten bleiben, denn die Bedarfe sind da"


Nachdem sich Uli Pointner, der langjährige Gesamtleiter von SBW-Flexible Hilfen, in den Vorruhestand verabschiedet hatte, übernahm im September Uwe Eirenschmalz. Hier äußert er sich über seine Ziele, die wirtschaftliche Herausforderung für das Zentrum, und welchen Wunsch er sich gerne von einer Fee erfüllen lassen würde.

Hat sich über seine Arbeit als Gesamtleiter SBW-Flexible Hilfen profunde Gedanken gemacht: Uwe Eirenschmalz. Foto: Gabriele Heigl/KJF
Der Schwerpunkt Ihrer Arbeit bei der KJF waren zwei Jahrzehnte lang die Ambulanten Erziehungshilfen. Erst seit gut zweieinhalb Jahren arbeiten Sie bei SBW-Flexible Hilfen. Das scheint eine relativ kurze Zeit zu sein, um nun deren Leitung zu übernehmen. 

Uwe Eirenschmalz: Uli Pointner hat mich dankenswerterweise in dieser Zeit auf die anstehenden Aufgaben gut vorbereitet. Es waren zwei anstrengende, aber sehr intensive Jahre im Schnelldurchlauf, in denen ich alle Bereiche und Angebote des Zentrums kennenlernen konnte. Obwohl es noch weiße Flecken gibt, fühlt sich für mich alles passend an. Und ich habe sehr erfahrene und kompetente Leitungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter.

Orientieren Sie sich an seiner Arbeitsweise?

Ich habe einen Riesenrespekt vor dem, was Uli Pointner hier aufgebaut hat. Er und ich haben konstruktiv zusammengearbeitet, wertschätzend und transparent, und wir haben uns gegenseitig respektiert. Aber natürlich bin ich nicht Uli Pointner und werde meinen Weg gehen.

Welche Ziele peilen Sie im ersten Jahr an?

Ganz generell möchte ich alle Bereiche so aufstellen, dass sie stabil sind und stabil weitergeführt werden können. Es geht in erster Linie um die Weiterentwicklung und den Erhalt der einzelnen Angebote. Dabei sind unter anderem von großer Bedeutung auch die Qualifizierung und das Engagement der Mitarbeitenden in den einzelnen Bereichen und Teams. Es ist wunderbar zu sehen, dass wir eine wichtige und erfolgreiche Arbeit sowohl für unsere Klientinnen und Klienten, als auch für die KJF leisten. Unsere Angebote und Konzepte sind sehr gut ausgearbeitet, und die Bedarfe sind da. Aber es gilt, die Angebote auch weiterzuentwickeln, flexibel zu reagieren und neue Bedarfe, die in unserer Gesellschaft primär hier in München entstehen, zu erkennen, damit unsere Angebote eine Perspektive für die Zukunft haben. Ich möchte der Einrichtung die dafür notwendige Stabilität gewährleisten - sie hat es verdient. Dabei muss man aber auch die damit verbundenen Kosten im Blick behalten. 
 
Zur Person
Uwe Eirenschmalz (53) ist seit 1. Juli der neue Gesamtleiter SBW-Flexible Hilfen, zunächst noch gemeinsam mit Vorgänger Uli Pointner, seit 1. September alleine. Der Diplom Sozialpädagoge (FH) begann vor genau 21 Jahren bei der KJF mit dem Start der regionalen Ambulanten Erziehungshilfen (AEH) im Münchner AEH-Team Sendling. Vorher gab er etwa acht Monate lang Soziale Trainingskurse in der Gefährdetenhilfe. 2003 übernahm er die Teamleitung im AEH-Team Sendling und seit 2015 die Bereichsleitung für AEH im damaligen Zentrum Ambulante Hilfen München. Seine erste Stelle als Sozialpädagoge hatte er bei Condrobs in einer stationären therapeutischen Jugendhilfeeinrichtung angetreten. Uwe Eirenschmalz wohnt mit seiner Frau in Maitenbeth im Landkreis Mühldorf. Die beiden haben zwei Kinder (31, 27). Er hat ursprünglich Elektroinstallateur gelernt und arbeitet in seiner Freizeit gerne handwerklich und auch kreativ. Außerdem geht er gerne in die Berge zum Skifahren und Wandern. Weitere, "leider gerade seltene Hobbys": Hängematte und Motorradtouren.
Was bedeutet das konkret?

Das wesentliche Steuerungsinstrument ist es - insbesondere in den stationären Bereichen und im Betreuten Wohnen - sicherzustellen, dass die Betreuungsplätze belegt sind. Über eine kontinuierliche Belegung sichern wir die Wirtschaftlichkeit ab. Um dies zu gewährleisten, müssen die jeweiligen Angebote attraktiv ausgestaltet werden und den qualitativen Ansprüchen der Kostenträger, also der Jugendämter, gerecht werden. Aber auch unsere Klientel hat sozusagen berechtigterweise Ansprüche an unsere Jugendhilfemaßnahmen. Die Konkurrenz in der öffentlichen Trägerlandschaft ist da, und die zu betreuenden Jugendlichen und Heranwachsenden haben in der Regel auch eine Auswahlmöglichkeit. Das pädagogische Personal vor Ort hat demnach auch die Aufgabe und die Funktion, mit ihren Fähigkeiten und ihrem Engagement diese Qualität und Attraktivität in der Fachlichkeit zur Verfügung zu stellen. Der anhaltende Fachkräftemangel und die Mitarbeiterfluktuation sind gegenwärtig allgemein ein Problem. Neben der Sicherung der Entgelte über die Belegung der Betreuungsplätze geht es auch um Mitarbeiterqualifizierung und Mitarbeiterzufriedenheit.

Qualifiziertes Personal zu finden scheint in den letzten Jahren schwierig geworden zu sein.

Qualifizierte Mitarbeitende zu werben und auch zu halten, entwickelt sich zunehmend zum Problem, nicht nur bei uns, sondern bei allen Trägern. Um Fachkräfte zu gewinnen, ist meines Erachtens nicht nur die Bezahlung wichtig, sondern auch eine positive Kultur in den Arbeitsbereichen, in den Teams. Eine gute Team-, Einrichtungs- und Trägerkultur ist ein nicht zu unterschätzender Motivationsfaktor, mit allen "Haken und Ösen", die damit verbunden sind, denn zwischen Menschen gibt es eben auch Konflikte. Dabei muss die Leitung immer Vorbild sein und auch "vorleben" sich mit Konflikten konstruktiv auseinanderzusetzen.

Was gilt es hier zu beachten?

Wie Uli Pointner ist mir der Kontakt zu den Mitarbeitenden wichtig. Diese Kontakte aber auch die Zugänglichkeit zum mir als Leitung will ich aufrechterhalten. Ich möchte ansprechbar sein und kein Fremder in meiner Einrichtung werden. Aber natürlich hat Leitung auch die Aufgabe, Entscheidungen zu treffen - idealerweise die richtigen.

Mit dem Tagesgeschäft haben Sie wahrscheinlich nicht mehr viel zu tun?

Auch wenn es immer mal wieder Berührungspunkte zur Arbeit mit und um unser Klientel geben wird, sind meine Aufgaben jetzt andere. Sie drehen sich wie bereits angesprochen unter anderem um die Themen Wirtschaftlichkeit und Personalmanagement. Dennoch ist es sehr hilfreich, dass ich viele Jahre an der Basis gearbeitet habe. Den Prozess, den ich bei der KJF durchlebt habe, von der Team-, zur Bereichs- und schließlich zur Gesamtleitung habe ich als sehr vielseitig, ereignisreich, inspirierend und hochspannend erlebt - aber voran auch als sehr lehrreich.

Wenn Sie bei einer Fee einen Wunsch für Ihre Arbeit frei hätten, welcher wäre das?

Dass es mir gelingt, weiterhin die anhaltende wertschätzende Unterstützung meiner Mitarbeitenden zu erhalten.

Interview: Gabriele Heigl, KJF-Pressesprecherin
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Unsere Einrichtung: SBW-Flexible Hilfen München

Das Spektrum der Angebote umfasst Jugendliche, junge Erwachsene und junge Familien. Neben anderen Angeboten etwa im Eltern-Kind-Bereich bieten "SBW-Flexible Hilfen München" Unterstützung in mehreren Betreutes-Wohnen-Angeboten für junge Menschen. SBW steht für sozialpädagogisch betreutes Wohnen. In verschiedenen zentral gelegenen Gebäuden in der Stadt werden weibliche und männliche Jugendliche individuell betreut. Im Fokus stehen Jugendliche und junge Erwachsene in besonderen sozialen Schwierigkeiten, die aus Familien oder anderen Lebenskontexten kommen, in denen sie keine angemessene Förderung oder Unterstützung erhalten und dort in der Regel nicht mehr bleiben können oder wollen. Die individuellen Betreuungsangebote umfassen unter anderem regelmäßige Einzel- und Gruppengespräche, Betreuung vor Ort in den Wohneinheiten und in der Kontaktstelle, psychosoziale Hilfen, Krisenintervention, alltagspraktische Hilfen und lebenspraktische Förderung, soziale Gruppenarbeit, Angehörigenarbeit sowie eine ambulante Nachbetreuung. Derzeit gibt es bei SBW-Flexible Hilfen etwa 100 Mitarbeitende an acht verschiedenen Standorten.